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Slow Food in Regensburg: Winfried Freisleben vom 'Leeren Beutel'

Das Interview führte: Thomas
Slow Food in Regensburg: Winfried Freisleben im Leeren Beutel

Wer sind Sie und was machen Sie?
Ich bin etwas verrückt und lebe meinen Traum (lacht). Also: Ich heiße Winfried Freisleben, habe Englisch- und Sozialkunde studiert und bin seit 1988 stolzer Pächter des Restaurants "Leerer Beutel" in Regensburg. Ich habe zwar einen harten Job, habe alles um mich herum geschaffen was mir Freude macht! Ich habe mich schon immer für Kunst interessiert - deshalb organisiere ich mit Renate Christin zusammen sechs bis sieben Ausstellungen im Restaurant jährlich. Vor allem regionale Künstler. Und mit dem Jazzclub zusammen circa 60 Konzerte regionaler und internationaler Musiker im Saal. Und dafür muß ich halt ein bischen was arbeiten. Das gehört dazu. Ganz umsonst geht nichts!
Und hinter diesem Chaos steht ein strukturierter Kopf: die eigentliche Chefin Traudl Freisleben.

Wie sind Sie dazu gekommen?
Auf der Suche nach einer Spielstätte für Jazzkonzerte wurde ich vom damaligen Kultur-Dezernenten Bernd Meier auf den Leeren Beutel verwiesen. Damals gab's da schon Jazz. Wir sollten die bereits bestehende Reihe 'Jazz in der Galerie' übernehmen und weiterentwickeln. Allerdings unter der Bedingung die damals desolate Gaststätte zu übernehmen - eine große Herausforderung. Dann habe ich lange nachgedacht, lange gegrübelt. Und mich dann dafür entschieden. Anschliessend habe ich mit Hilfe des Architekten Ludwig Meier die alte Einrichtung, die alte schwere dunkle Holzvertäfelung, entfernt, und das Haus 'leicht' - und empfänglich für Kunst - gemacht.

Was hat es mit "Slow Food" auf sich?
Ich habe Slow Food vor zwanzig Jahren in Italien kennengelernt, fand die Idee faszinierend, und habe mich bemüht in Regensburg langsam eine Community aufzubauen bzw. die Idee zu propagieren.

Was genau versteckt sich dahinter?
Mit Start des Leeren Beutel habe ich einen Slogan entwickelt, der hieß "Genuß für Auge, Ohr und Gaumen". Und dazu passt "Slow Food" als radikale Abkehr von Industrieproduktion, Fastfood, Fertiggerichten. Die Zielsetzung: Regionale und saisonale Küche (also keine Erdbeeren im Winter zum Beispiel) soweit als möglich und faire Preise für die Erzeuger. Es gibt bei Slow Food eine Aktion die nennt sich "Retten durch Essen" indem alte Sorten bewahrt oder renatuiert werden, z.B. Juradistellamm wurde wieder eingeführt. Oder der "rote Ochse" bzw. das "rote Höhenvieh" aus der Oberpfalz. Das ist ein einheimisches Rind, welches die Wiesen abgrast, das heisst der natürliche Kreislauf entsteht hier wieder. Die Pflanzen brauchen das auch um sich zu rekultivieren. Sonst geht z.B. ein Hang kaputt. Diese Tiere sind also sozusagen unsere besten Umweltökologen. Nicht in der Zuchtbox sondern springen über die Felder und retten somit unsere Wiesen und Felder. Dazu kommt die Verpflichtung das ganze Tier zu verwerten. Damit man nicht im Ausland z.B. in Afrika durch den Verkauf unserer Schlachtreste deren Wirtschaft vernichtet. Und ich brauche keinen Viktoriabarsch aus Afrika und esse denen deren Fisch weg. Sondern den Saibling aus der Oberpfalz, den es schon seit Jahrtausenden gibt. Das ist politisch brisant! Wir müssen unsere Umwelt bewahren! Früher gab es im Restaurant "Pfälzer mit Kraut", die wurden abgelöst durch irgendwas Käse-ähnliches-Überbackenes. Und in Italien haben die damals reagiert weil die sahen daß durch solche Tendenzen die kleinen Trattorien und lokale Erzeuger zu gunsten großflächiger Industrieproduktion kaputtgingen. Daraus ist eigentlich Slow Food entstanden. Ich betrachte Slow Food also als Philosophie, und zwar als Kontra zu Fast Food. Also Wertschätzung des eigenen Essens, und dabei auch natürlich Wertschätzung dem eigenen Körper gegenüber.

Wo geht die Reise in der Gastronomie hin?
In eine Zweiklassengesellschaft. Die einen erwarten Essen immer schnell und alles verfügbar, sofort auf dem Tisch. Die Anderen haben erkannt daß es ein wichtiger Teil ihrer Kultur ist heimische Produkte und Gerichte zu bewahren. Esskultur ist eine Nische. Wie bei der Kultur allgemein. Was natürlich total wichtig ist ist Aufklärung, Aufklärung, Aufklärung! Von der AOK bis hin zum Bund Naturschutz ziehen ja eigentlich alle am gleichen Strang: nachhaltig, ökologisch, tierschützend.

Es gibt trotzdem Hoffnung?
Eine Analogie: Ich bin jetzt seit 30 Jahren beim Jazz. Und es gab immer Leute die sagten "Jazz ist tot". Und ich sage schon immer, Jazz ist eine Nische und wird es bleiben und Jazz wird's immer geben. Das ist Avantgarde, ist klein, muß sich entwickeln, muß sich durchkämpfen. Und beim Essen ist es genauso. Es gibt schon Ansätze. Immer mehr junge Leute haben erkannt daß es mehr als Burger gibt. Es gibt auch wieder wesentlich mehr regionale Produzenten, und die vermarkten auch zunehmend ihre Produkte.

Unternehmer ist doch ein super Job - können Sie sich immer freinehmen?
Nein, keine Chance. Der Witz ist, ich habe zwar theoretisch die Chance mir freizunehmen. Aber ich bin ja mein eigener Sklaventreiber. Also, ich erlaube es mir nur selten?

Was können Sie am besten?
Projekte entwickeln, Verknüpfungen herstellen, ich bin ein typischer Kreiseldenker. In unserer Gesellschaft üblich ist ein typischer "Liniendenker". Da bin ich ein komplett Anderer. Man wirft mir zwei Sachen zu, daraus kann ich etwas Neues machen. Das impliziert natürlich auch Probleme, weil manchmal Menschen gar nicht verstehen was ich meine. Ich kann aber gar nicht anders. Ich habe lange damit gehadert, aber inzwischen habe ich's akzeptiert und sehe es als eine außergewöhnliche Begabung. Es ist zwar schwierig in der Gesellschaft so zu denken, jetzt sehe ich aber das Positive daran. Ich habe eine visuelle Begabung, bin jedoch für vieles andere völlig ungeeignet - wenn mich jemand frägt was kostet ein Kilo Spargel: keine Ahnung! Oder eine Packung Kaffee! Weiß ich nicht!

Was würden Sie machen wenn Sie nicht mehr arbeiten müssten?
Ein neues Projekt ausdenken! Sofort! Darum will ich auch nicht in Rente gehen! Etwas mehr reisen, das will ich schon noch.

Wann ist Ihr Tag dann zu Ende?
Da gibt's so ein Ritual. Ich gehe je nachdem wieviel los ist zwischen 22 und 24 Uhr nach Hause, trinke vielleicht ein Glas Wein oder meistens ein Pils. Nachrichten gucken, Skizzenbuch aufschlagen und ein bischen zeichnen. Manchmal mit oder meistens ohne Erfolg! Dann lese ich noch eine halbe oder dreiviertel Stunde, dann schlafe ich mit dem Buch in der Hand ein. Ich bin ein Nachtmensch.

Was haben Sie heute noch vor?
Das normale Tagesprogramm! Abends ist eine Gesellschaft im Saal, die wird vorbereitet und betreut. Bis die Hauptgänge bei den Gästen sind. Und dann setze ich mich ins Auto nach Würzburg und treffe einen alten Freund aus Guatemala der gerade zu Besuch ist.


Herr Freisleben, vielen Dank Ihre Zeit und die Beantwortung unserer Fragen!

Hier ist die Websites des Leeren Beutel:
www.leerer-beutel.de


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